Montag, 5. April 2010

Von Gedichten und Wurstbändern / Münsterländer Platt

Dass es sich bei uns alten Sachsen um einen Menschenschlag mit ganz eigenem Kopf handelt, musste auch die hochdeutsche Sprache höchstpersönlich erfahren. Als sie zwischen dem 6. und 8. nachchristlichen Jahrhundert von Süden her kommend ihren Siegeszug antrat und immer mehr deutsche Landstriche erfasste, kam sie eines Tages auch an unsere Grenze, sah uns und spürte instinktiv: Diesen sächsischen Querschädeln ein neues Sprechen beizubiegen, nein, einfach unmöglich. Diese mürrischen Gesichter, diese ungeübten Sprechwerkzeuge! Und so kehrte die hochdeutsche Sprache dem Münsterland den Rücken und kümmerte sich nicht weiter um uns. Fürs Erste.

Das war der Grund, warum wir mehr oder weniger einheitlich beim ´maken´, ´Dag´, ´eten´, ´Timmermann´, ´sitten´, ´Schipp´, ´Wiev´ und ´Peper´ geblieben sind, statt zu den hochdeutschen Formen ´machen´, ´Tag´, ´essen´, ´Zimmermann´, ´sitzen´, ´Schiff´, ´Weib´ und ´Pfeffer´ überzugehen. Aber auch von anderen liebgewonnenen Phänomenen konnten wir nicht lassen. Warum auch? Ist denn der ´Smiärlappen´ nicht viel ehrlicher als der ´Schmutzfink´, ist denn die ´Füörsterkunte´ nicht viel stärker als der ´Frosthintern´, reizt denn der ´Blubberbaort´ nicht viel eher zum Lachen als der ´Nuschler´, und hat die Formulierung, nach der jemand aus einem ´Fuorts en Düennerslag´ macht, nicht mehr mit der norddeutschen Lebenswirklichkeit zu tun, als wenn dieser Jemand aus einer ´Mücke einen Elefanten´ macht? Na also.

Die zitierten Begriffe dokumentieren zweierlei: Zum einen den enormen Erfindungsreichtum, wenn es darum geht, uns gegenseitig mit Komplimenten zu umschmeicheln. Zum anderen eine Besonderheit, die das westfälische Platt etwa vom ostfriesischen, holsteinischen oder mecklenburger Platt unterscheidet: die auffallende Anhäufung von Vokalen und Umlauten. Wörter wie „Mauenfrieerie“, „Quaogelerie“, „Uott“ oder „Wuoddelbuil“ versteht zwar niemand – aber mit Stolz können wir sagen: Das gibt’s nur bei uns!

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[Fortsetzung dieses Kapitels in: "Querschädel, Regenlöcher, Schlodderkappes - wie das Münsterland wirklich ist", Münster: Oktober Verlag 2010, ISBN: 978-3-941895-05-8.]




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