Montag, 5. April 2010

Der Nutzen des Liäpels / Essen und Trinken

Mit tiefem wissenschaftlichen Ernst wurde einmal der Wortteil „-falen“ des Begriffes „Westfalen“ mit dem lateinischen Wort „Falchovarii“ in Verbindung gebracht. Die Übersetzung bedeutet – kein Scherz – soviel wie „Flachmänner“ und nimmt Bezug auf unser flachländisches Siedlungsgebiet. Diese These hat sich bis heute als nicht sonderlich tragfähig erwiesen. Dennoch hat die Bezeichnung „Flachmann“ für den gemeinen Münsterländer einen gewissen Charme, kann er doch als Symbol für unsere mehr als innige Beziehung zu allem Hochprozentigen gedeutet werden.

Schon im frühen Mittelalter sind in unserem Ländchen nahezu alle Getreidesorten nachweisbar, die als Grundlage für die Herstellung des guten münsterländischen Korns herhalten können. Logisch, dass wir irgendwann daran gingen, daraus etwas zu zaubern, das unsere Laune hebt und uns vor allem mit unserem verregneten Himmel aussöhnt. Und das geht so: Man schrote das Korn, verkleistere es mit heißem Wasser, verwandle die Stärke mit Malz zu Zucker, vergäre den Zucker mit Hefe zu Alkohol, destilliere diesen sodann mehrmals, um alle Geschmacks- und Geruchsstoffe zu entfernen, und verdünne ihn am Ende solange mit Wasser, bis der münsterländische Zaubertrank einen Alkoholgehalt von 32 % (Korn) bzw. 38 % (Doppelkorn) aufweist. Fertig.

Eigentlich bräuchte man sich jetzt nur noch zurücklehnen und es sich so richtig gut gehen lassen. Doch oh weh! Kaum auf der Welt, wurde der „aolle Klaore“ bereits als Teufelszeug abgetan. Das war ein großes Malheur für uns alle. Denn da wir einerseits erheblichen Geschmack an dem Selbstgebrannten gefunden hatten, andererseits aber gute Christenmenschen sind, forderte uns diese Form der Verteufelung ein erhebliches Maß an Gehirnakrobatik ab. Ging es doch darum, geschmeidige Begründungen zu ersinnen, die uns ein gutes Gewissen ermöglichten, ohne auf unseren Brandbeschleuniger zu verzichten.

Ein Ansatzpunkt war die so genannte „Schlempe“: Sie fiel als Nebenprodukt beim Kornbrennen an und erwies sich als ein hervorragendes Tierfutter. Da wir als Christenmenschen unser Vieh nicht darben lassen konnten, erklärten wir das Neben- zum Hauptprodukt und brannten weiter Schnaps, was das Zeug hielt – immer zum Wohle der münsterländischen Viehzucht, versteht sich.


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[Fortsetzung dieses Kapitels in: "Querschädel, Regenlöcher, Schlodderkappes - wie das Münsterland wirklich ist", Münster: Oktober Verlag 2010, ISBN: 978-3-941895-05-8.]



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